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Primärliteratur

   QUELLENTEXT
Titel Faszinierender Blick in Gesichter Vietnams
Untertitel Zu einem Text-Bild-Band von Panitz und Billhardt
Autor Harry Thürk
Publikation Neues Deutschland, 02.11.1978
Quelle Verlagsarchiv Neues Deutschland, Alt Stralau 1-2, 10245 Berlin
   
Textart Rezension, Kommentar, Volltext
Anlass, Thema Bilddokumentation "Gesichter Vietnams" der Journalisten Panitz und Billhardt
Textstruktur 2 Spalten ohne Trennlinie, 8 Punkt mit Serifen, Blocksatz mit Vorschub.
Faszinierender Blick
in Gesichter Vietnams
Zu einem Text-Bild-Band von Panitz und Billhardt
Von Harry Thürk

„Gesichter Vietnams“, ein modern gemachter Text-Bild-Band, ist eine angenehme Überraschung auf dem Gebiet der Berichterstattung über ferne Länder. Hier legen ein Schriftsteller und ein Fotograf, jeder auf seine Weise und doch ineinander greifend, Zeugnis ab vom Erlebnis Vietnam.

Eberhard Panitz offenbart sich als Berichterstatter, dessen Sachkenntnis die innere Beteiligung am Weg Vietnams spüren läßt. Er hat seinen Text klug unterteilt in sechs Partien, von denen jede jeweils einen völlig anderen Aspekt der Gegenwart oder der Geschichte erfaßt. So schildert er beispielsweise farbig das Leben in Saigon unmittelbar nach dem Sieg: Soldaten der Befreiungsarmee auf der einen Seite, Händler mit dem Diebesgut der letzten Kriegstage auf der anderen. Oder er erzählt vom Besuch bei ehemaligen Mekong-Partisanen, gibt dem Leser eine Vorstellung davon, wie der Kampf aus einem kilometerlangen, vielverzweigten unterirdischen Tunnelsystem heraus geführt wurde.

Dann wechselt er den Rhythmus: Es folgt die brillant wiedergegebene Lebensgeschichte eines Deutschen aus Meißen in der Offiziersuniform der Vietnamesischen Volksarmee, der als Kind vor der Revolution zu Hause davonlief und ihr als Mann in Vietnam dann alles opferte. Panitz beweist, welch hohe Aussagekraft solche stillen, bescheidenen Helden selbst in der literarischen Kurzform haben. Literarische Porträts folgen, von Kämpfern, die dem ersten sozialistischen Staat auf dem Boden Vietnams mit ihrem Mut, ihrer Opferbereitschaft zum Leben verholfen haben. Geschichte schon? Vielleicht. Auch die legendäre „Gruppe 5“, über die Panitz berichtet, indem er Teilnehmer an der Tet-Offensive 1968 über ihre Taten sprechen läßt, ist schließlich schon Geschichte.

Brandaktuell hingegen die Problematik der ehemaligen ranghohen Mitläufer der USA in Vietnam. Panitz beläßt es hier bei zwei Protokollen, ohne zu kommentieren. Er erzielt damit genau die beabsichtigte Wirkung: Man begreift, daß die Einheit Vietnams politisch-geographisch vollzogen ist, daß die geistige Einordnung in die neue, sozialistische Nation Zeit braucht, Geduld, Toleranz, auch wenn das im Einzelfall schwerfällt.

Dann fällt der Blick auf die nächste Buchseite: ein halbes Dutzend junger Mädchen, lächelnd oder verlegen ins Objektiv von Thomas Billhardts Kamera blickend, die Gewehre noch über der Schulter. Womit ich bei den Bildern des Bandes wäre. Billhardt beweist in diesem Buch wiederum zweierlei. Er ist da als Fotograf am besten, wo das Sujet ihn innerlich zur härtesten Parteinahme fordert. Und er beherrscht sein Handwerk. Ich habe ihn selbst während des Krieges in Vietnam an der Arbeit gesehen und weiß, wie stark sein Engagement für dieses Land ist.

In dem vorliegenden Band, in dem er sozusagen die ersten Schritte in den Frieden festgehalten hat, befinden sich einige der schönsten, der menschlich bewegendsten Bilder, die ich von Vietnam bisher gesehen habe. Ob es Kindergesichter sind, noch vom Krieg gezeichnet, aber doch mit einem Hauch von neuer Zuversicht, ob versonnene Porträts junger Frauen, Andachten im Tempel oder Dschunken auf dem Mekong - dies alles atmet die Faszination, die von der Befreiung ausgeht. Bedauerlich, daß bei der Fülle des Gebotenen vieles nur in kleinem Format gedruckt werden konnte, was gewiß großflächig erst seine volle Wirkung entfaltet hätte.

Alles in allem ein großartiges Buch, mit dem der Militärverlag der DDR - nach dem 1970 dort erschienenen Bild-Text-Band „Stärker als die reißenden Flüsse“ - ein weiteres, vom Geiste des sozialistischen Internationalismus geprägtes Werk dieser Art über Vietnam vorlegt, das Land, das die Herzen so vieler DDR-Bürger in ganz besonderer Weise bewegt.